24/05/2022 • 8 min gelesen

Flexible Büroräume von morgen gestalten

Ein Gespräch über Transformation und Arbeitsplatzentwicklung in Ungarn

von Gabor Kovacs

Wir alle wissen, wie sehr die Corona-Pandemie die Welt verändert hat. Die Nachrichten berichteten über die schwindelerregende Ausbreitung und die Auswirkungen des Virus und unser eigenes Leben war plötzlich ein Teil der Geschichte. Unser Zuhause wurde zu unserem Arbeitsplatz. Die Bedingungen machten es manchmal schwierig, sich zu konzentrieren und unsere Aufgaben auszuführen. Alle Wirtschaftszweige haben unter der Pandemie gelitten, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass die Büromöbelindustrie einige der größten Schwierigkeiten der Pandemie erfolgreich gemeistert hat.

Als eines der weltweit führenden Büromöbelunternehmen versuchten wir sofort, Lösungen zu finden und Leitlinien für unsere Kundschaft zu entwickeln. Im April 2021 organisierten wir eine zweitägige virtuelle Konferenz mit dem Titel „Work from Anywhere Summit“ mit über 30 Vorträgen. Zu den Referent*innen gehörten renommierte Designer wie Patricia Urquiola, Giulio Cappellini und Marcel Wanders.

Unter den Zuhörenden waren viele unserer ungarischen Partner*innen und Kund*innen. Sie alle äußerten sich positiv zu den Sitzungen und deren Inhalte. Nach der Veranstaltung haben wir die sechs wichtigsten Erkenntnisse aufgezeigt, die Unternehmen unserer Meinung nach beachten müssen, wenn sie sich den neuen Erwartungen an das Büro anpassen und ihre Mitarbeiter wieder ins Büro zurückbringen wollen:

  1. Es gibt kein Zurück zu dem, was vorher war
  2. Die Arbeit von zu Hause aus ist nicht mehr wegzudenken
  3. Flexibilität ist das neue Schwarz – nicht nur im Trend, sondern eine Notwendigkeit
  4. Wir gehen ins Büro, nicht zur Arbeit
  5. Unternehmen brauchen einen Paradigmenwechsel
  6. Wohlbefinden ist kein Luxus mehr

Diese Erwartungen sind für jeden anspruchsvoll, aber die Frage ist nun, wie man unter Berücksichtigung der neuen Arbeitsweisen hervorragende Büros im Vergleich zu früher schaffen kann. Darüber hinaus stehen Arbeitgeber vor der Herausforderung, Arbeitsplätze zu modernisieren oder zu schaffen, die das Engagement ihrer Angestellten fördern.

Auf der Suche nach Anregungen für die zukünftige Umgestaltung von Büros zur Unterstützung flexibler Büroräume habe ich einen Arbeitsplatzexperten interviewt, der an dem virtuellen Summit teilgenommen hat. Dávid Horváth ist der leitende Workplace Advisor und Service Designer bei Colliers. Sein spezifischer Ansatz besteht darin, die Zusammenarbeit mit seiner Kundschaft in einem sehr frühen Zeitpunkt des Projekts zu beginnen und Workshops zu veranstalten, sobald das Unternehmen beschließt, umzuziehen oder seine bestehenden Räumlichkeiten umzugestalten. Seine Ratschläge beeinflussen den gesamten Projektentwurf. Dávid verfügt über große und umfassende Berufserfahrung. Er ist professionell und gründlich und besitzt ein ausgeprägtes Organisationstalent, das ich bei gemeinsamen Projekten erlebt habe.

GABOR: Dávid, welche Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie deiner Meinung nach auf die Entwicklung der Arbeitswelt? Wie wirkt sich die Corona-Krise auf deine laufenden und zukünftigen Projekte insbesondere in Ungarn aus?

DÁVID: Ich möchte den Schwerpunkt zunächst auf Ungarn und insbesondere auf Budapest legen. Immerhin hat Budapest die größte Anzahl von Büros und Büroangestellten in Ungarn. Hier zeichnen sich zwei Schwerpunkte ab. Der erste ist die Kostenreduzierung. Der zweite ist das neue Post-Pandemie-Büro.

Kostenreduzierung ist für viele Unternehmen von zentraler Bedeutung, wird aber oft nicht als eigenständiges Ziel gesehen. Die meisten Unternehmen wollen Büros gestalten, die sich positiv auf ihre Unternehmensleistung auswirken. Dies hat wahrscheinlich einen größeren finanziellen Effekt als reine Kostensenkung. Viele Unternehmen wollen die Kosten kontrollieren, ein Überangebot an Raum vermeiden und sicherstellen, dass die Büros effizient sind. Neben der Kostensenkung ist das zweite Hauptanliegen, die richtige Balance zwischen Arbeit im Homeoffice und im Büro zu finden und die Büroarbeit für die Mitarbeitenden attraktiver zu machen. Während die Kostensenkung eine mathematische Übung ist, bleibt das Umdenken und die Schaffung eines Post-Pandemie-Büros ein komplexeres und langfristiges Unterfangen.

Bei der Entwicklung und Umsetzung von Post-Pandemie-Arbeitsplatzstrategien verfolgen Unternehmen unterschiedliche Ansätze. Wir beobachten drei Herangehensweisen. Welche zum Einsatz kommt, hängt von der allgemeinen Unternehmensstrategie und immobilienrelevanten Faktoren (z. B. Auflösung von Mietverträgen) ab.

Der erste Ansatz beinhaltet die Entwicklung neuer Arbeitsplatzstrategien und Designs, bevor die Mitarbeiter ins Büro zurückkehren. Der zweite Ansatz umfasst den Beschluss, vor der Rückkehr der Mitarbeitenden ihr(e) Büro(s) nicht komplett umzugestalten. Stattdessen werden Pilotbereiche oder Testgebäude ausgewiesen, in denen neue Arbeitsplatzkonzepte, Technologien und Verhaltensweisen evaluiert werden. Bei dem dritten Ansatz werden weder Arbeitsplätze verändert noch wird in Piloträume investiert. Man zieht es vor zu warten, bis es mehr Daten über die Erfahrungen zur mobilen Arbeit und der künftigen Stellung des Büros als Arbeitsplatz gibt. Keiner dieser drei Ansätze ist der Stein des Weisen. Wir als Berater*innen unterstützen Kund*innen, Organisationen und Partner*innen bei der Wahl des richtigen Ansatzes und nicht nur des kostengünstigsten.

Das neue Ökosystem: Von überall aus arbeiten

Räume, die vor der Pandemie entworfen wurden, sind möglicherweise nicht die richtige Wahl für die Zukunft. Erfahren Sie mehr, indem Sie die 10 von 10 von unserem virtuellen Summit herunterladen.

GABOR: Wie können die Erkenntnisse aus dem Work From Anywhere Summit von Haworth deine Arbeit unterstützen? Was waren deine wichtigsten Erkenntnisse?

DÁVID: Es ist immer anregend, dabei zu sein, wenn verschiedene verwandte Bereiche der Bürobranche Trends bewerten, rezipieren, Ressourcen in sie investieren, sie gestalten und entwickeln. Ich bin immer auf die neuen Ideen und inspirierenden Konzepte von Büromöbelunternehmen gespannt. Diese Ideen machen es einfacher, einem Kunden zu erklären, wie man die Unternehmenskultur verändert und neue Methoden einführt. Denn jede neue Methode führt zu einer neuen Erfahrung und diese wiederum hat Touchpoints. Die Möbel und auch die physischen Räume sind Touchpoints, die die Erfahrung bestimmen. Ich freue mich besonders, dass Haworth unsere Arbeit als ein komplexes System betrachtet, in dem es nicht nur um Möbel, sondern um Systemelemente geht. Dieses Verständnis erleichtert die Zusammenarbeit, da wir die gleiche Sprache sprechen und auf gemeinsame Ziele hinarbeiten.

GABOR: Während des Gipfels haben wir auch unser Programm „CoDesigner“ vorgestellt. Glaubst du, dass es für deine Arbeit hilfreich ist?

Ich habe es bereits getestet. Da, wo Kund*innen verstehen, dass das Programm kein Zauberstab, sondern ein leistungsfähiges Werkzeug ist, halte ich es für ein intelligentes und nützliches Hilfsmittel. Leider neigen in Ungarn einige selbsternannte Besserwisser*innen dazu, diese Tools als finale Lösung und nicht als unterstützendes Werkzeug zu betrachten. Das birgt Risiken.

Auf jeden Fall hat mir die Betaversion gefallen. Sie unterstützt meine Arbeit bereits stark, vor allem, wenn wir in kurzer Zeit definieren müssen, was in Bereich X passt oder wie Bereich Y genutzt werden soll.

GABOR: Sicher hat Colliers eine Strategie, die Kund*innen hilft, ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zu holen. Würdest du uns bitte die Eckpunkte dieser Strategie erläutern?
 

DÁVID: Ja, das stimmt. Das Colliers Workplace Advisory Team arbeitet mit vielen Unternehmen an der Entwicklung und Umsetzung von Post-Pandemie-Arbeitsplatzstrategien.

Unser 5B-Ansatz besteht aus 5 tragenden Säulen für Arbeitsplatzstrategien: Bausteine, Bytes, Marke, Verhalten und Geschäft. Wir sind der Meinung, dass diese 5 Säulen konsistent ausbalanciert werden müssen. Andernfalls wird das empfindliche System auseinanderbrechen. Aber in Bezug auf die Rückkehr ins Büro haben wir keine universelle Lösung. Niemand hat sie. Es gibt keine Pauschallösung. Unterschiedliche Unternehmen treffen auf der Grundlage ihrer spezifischen Geschäftsziele, Arbeitsmuster und -kultur unterschiedliche Entscheidungen. 

Der 5B-Ansatz von Colliers

Dávid und das Colliers Workplace Advisory Team arbeiten mit vielen Unternehmen an der Entwicklung und Umsetzung von Post-Pandemie-Arbeitsplatzstrategien.

1.    Bausteine
Physischer Raum, Umgebung, Lage, Gebäude usw.

2.    Bytes
Technologie, Geräte, Werkzeuge usw.

3.    Marke
Was will die Marke repräsentieren? Nicht identisch mit Corporate Identity, Logo usw.

4.    Verhalten
Unternehmenskultur, Stil, Managementmethode, Regeln usw.

5.    Geschäft
Interne Prozesse, Geschäftsziele, Kosten usw. 

Jedes Unternehmen muss die Rückkehr ins Büro so organisieren, dass sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende zufriedengestellt werden. Eine Kultur, die den gestiegenen Komfortbedürfnissen entspricht, wird gemeinsam entwickelt werden. Die anderen drei Eckpunkte werden sich nahtlos diesem Verhaltenspunkt anpassen. Zunächst aber müssen neue Modelle wiederholt getestet werden. Das ist aktuell unsere Hauptarbeit. Wir unterstützen Kundinnen und Kunden durch die Vorbereitung von Testprojekten, durch Messungen, Iterationen, gemeinsames Nachdenken und gegenseitiges Lernen. Ziel ist es, Lösungen zu entwickeln, mit denen alle zufrieden sind und an die alle glauben. 

GABOR: Wie werden sich „kollaborative Bereiche“ in Zukunft verändern? Gibt es neue Funktionen/Aktivitäten, die sie unterstützen müssen?

DÁVID: Zunächst ein praktischer Rat: Jedes Unternehmen, jede Führungskraft und jede(r) Unternehmensvertreter*in sollte für sich definieren, was Zusammenarbeit bedeutet. Viele Menschen benutzen das Wort „Zusammenarbeit“ und rennen blindlings hinter gut aussehenden Büroeinrichtungen her. Dann, nachdem sie Tausende von Euro ausgegeben haben, stellen sie fest, dass ihr neues Büro nicht zu ihrer Kultur, ihren Mitarbeitern oder deren Arbeitsweise passt – und die Räume bleiben ungenutzt.

Zunächst muss also die Funktion des Raums definiert werden: Welche Aufgaben soll er erfüllen? Wie wird sich die hybride Arbeitswelt auf die Nutzung auswirken? Und so weiter. Andernfalls geht es in diesen Räumen nur um gutes Aussehen und nicht um das, was man braucht. Auch wir lernen immer noch, was funktioniert – genau wie unsere Kundschaft.

Wir können jedoch sagen, dass sich die großen Besprechungsräume der Vergangenheit in kleinere, modulare, flexible Räume verwandeln werden, damit alle Mitarbeitenden die Art von Raum vorfinden, die denen ähneln, die sie zu Hause bei ihrer Fernarbeit geschaffen haben.

GABOR: Wie sollte die Digitalisierung den Büroentwicklungsprozess unterstützen?

DÁVID: Die Antwort darauf ist einfach: Mobile Arbeit funktioniert nur durch Digitalisierung. Unsere Recherchen vor Ort haben gezeigt, dass die meisten Akteure der Branche bereits vor der Pandemie digital waren oder erst kurz nach deren Beginn digital wurden. Die öffentlichen oder gemeinnützigen Sektoren sind noch nicht digitalisiert und arbeiten weiterhin auf traditionelle Weise. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass in den Branchen, in denen Haworth tätig ist, die Digitalisierung kein Thema mehr ist.  

GABOR: Nehmen wir ein bestehendes Büro, das umgestaltet und mithilfe neuer Anwendungen verbessert werden soll. Stimmen Sie zu, dass eine intelligente Raumaufwertung effektiver ist als eine komplette Renovierung?

DÁVID: Das hängt davon ab, ob die Renovierung das ist, was wir als intelligentes Upgrade bezeichnen. Aber mit dem Prinzip bin ich völlig einverstanden. Neues ist nicht immer besser und Altes ist nicht immer schlecht. Wir arbeiten an Projekten mit Unternehmen wie RTL, bei denen wir großen Wert darauf legen, dass die Testprojekte innerhalb eines bestimmten Rahmens bleiben. Dazu müssen wir aber sehr genau wissen, was wir erreichen wollen. Was kann ich durch Abbau und Wiederaufbau gewinnen? Was kann ich wiederverwenden?

In vielen Fällen ist Neugestaltung nichts weiter als eine selbstsüchtige Design-Hybris ohne intelligentes Konzept. Andererseits ist es wichtig zu wissen, dass es sich bei den Budapester Gewerbeimmobilien um einen sogenannten schlüsselfertigen Markt handelt. Das bedeutet, dass die Vermieter*innen bei Neuvermietungen einen finanziellen Beitrag zu Renovierungen oder kompletten Sanierungen leisten. Das gefällt den Mietern. Deshalb zieht ein Unternehmen nach dem Auslaufen eines Mietvertrags – in der Regel nach 10 Jahren – um und baut ein neues Büro auf. Und wenn sie nicht umziehen, ist die Bleibebedingung meist eine vollständige Renovierung.

GABOR: Was bedeutet „Wohlbefinden“ im Hinblick auf die Büros der Zukunft?

DÁVID: Da ich auch in einem Büro arbeite, erlaube mir bitte eine persönliche und unprofessionelle Antwort. Ich hoffe, dass wir gesund, sicher und im Gleichgewicht leben können, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Büros. Und das geht nur, wenn wir den Fokus auf Selbstentfaltung, Kultur, gesundes Leben und Nachhaltigkeit richten. Wohlbefinden sollte nicht nur ein Zertifikat, ein ergonomischer Stuhl oder ein schickes Büro umfassen, sondern viel mehr sein: ein bewusstes Leben.

Abschließende Gedanken

DÁVID: Deine Einschätzung der vielen Themenschwerpunkte der letzten Monate war äußerst interessant. Zum Abschluss noch ein Gedanke: Rock and Roll ist nicht nur ein Tanz und das flexible Büro ist nicht nur ein Finanzposten!

GABOR: Deine Erkenntnisse als Akteur in der Branche und deine Einschätzung der aktuellen Marktlage und der zukünftigen Herausforderungen sind immer wieder wertvoll. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam professionelle Lösungen finden, um unsere Kund*innen auf den richtigen Weg zu leiten. Bleiben wir gemeinsam stark!
 

Von überall aus arbeiten

In der Zukunft wird wahrscheinlich nicht nur an einem Ort gearbeitet. Finden Sie heraus, warum das Büro das Epizentrum dessen ist, was Arbeit ausmacht.

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