07/12/2023 • 10 min gelesen
Wie Mikomax eine Kultur der Inklusion schafft
von Alex Przybyla
Mikomax ist das Gründungsunternehmen und die Fertigungsstätte für Hushoffice, einem schnell aufstrebenden Unternehmen auf dem globalen Markt für schallisolierte Kabinen. Hushoffice ist eines der neuesten Mitglieder der Haworth-Markenfamilie. Mikomax hat seinen Hauptsitz in Łódź in Polen, einem Ort, der für Textilien und Kino bekannt ist.
Seit über 30 Jahren, also praktisch seit der Gründung des Unternehmens, integriert Mikomax gehörlose Beschäftigte in seine Produktionsteams. Wir haben Mikomax besucht, um mehr zu erfahren, die Community kennenzulernen und Informationen über das Inklusionsprogramm zu erhalten. Wir haben mit vielen verschiedenen Menschen im gesamten Unternehmen gesprochen, u. a. mit den Mitarbeitenden am Fließband, der Leiterin der Personalabteilung, den Projektteamleitern, dem Leiter der Fabrik und einem Mitglied der Geschäftsleitung.
Die gehörlosen Teammitglieder bei Mikomax kommunizieren in polnischer Gebärdensprache (Polski Język Migowy, PJM), eine Sprache mit einer faszinierenden Geschichte. PJM unterscheidet sich vom gesprochenen Polnisch. Wie die meisten Sprachen hat es verschiedenste Wurzeln, deren Herkünfte sich nicht mehr nachvollziehen lassen. Weitere Informationen über Gebärdensprachen – z. B. ob man Gebärdensprache „spricht“ oder „verwendet“, ob Gebärdensprachen universell sind und welche Gebärdensprachen in Ihrem Land am weitesten verbreitet sind – finden Sie in unseren Gebärdensprache-FAQ.
In jeder Sprache steckt große Schönheit. Die große Schönheit der Gebärdensprache wird von Hörenden oft nicht erkannt. Gebärdensprachen gibt es inzwischen in praktisch allen Ländern der Welt. Sie enthalten komplexe Redewendungen und jede Menge clevere Witze. Junge Sprecher nutzen Abkürzungen und erfinden Slang. Gebärdensprachen können schnell entstehen, manchmal spontan und innovativ sein und manchmal nützliche Teile aus anderen Gebärdensprachen oder sogar Elemente aus lokalen gesprochenen Sprachen übernehmen.
Aufgrund von Kommunikationsbarrieren war die Gehörlosengemeinschaft oft ausgegrenzt – diese Barrieren sind jedoch alles andere als unüberwindbar, wie Mikomax seit Jahrzehnten beweist. Gleichzeitig können wir nicht leugnen, dass es diese Barrieren gibt. Mauern verschwinden nicht von selbst. Sie müssen eingerissen werden, damit an ihrer Stelle etwas Neues und Inklusiveres entstehen kann.
Es hat uns Spaß gemacht, uns mit dem Team von Mikomax zu unterhalten und mehr über die inklusive Gemeinschaft zu erfahren, die das Unternehmen aufgebaut hat. Wenn es eine wichtige Erkenntnis gab, dann diese: Der Aufbau einer inklusiven Gemeinschaft erfordert zwar einen Willen, Investitionen und Mühe, aber als Ergebnis erhält man so viel mehr als ein normales Unternehmen. Inklusive Gemeinschaften tragen zum menschlichen Wohlergehen bei – und das menschliche Wohlergehen macht unsere Arbeit lohnenswert.
„Die Gebärdensprache ist sehr ausdrucksstark. Es ist eine sehr ausdrucksstarke Sprache, sodass man an den emotionalen Aspekten erkennen kann, dass jemand vielleicht unzufrieden ist oder Ähnliches. Es ist so, dass wahre Gefühle zum Ausdruck kommen.“
Irek Piątkowski
Irek und Michał sind Produktionsleiter bei Mikomax. Irek ist Leiter der Montageabteilung. Zu seinem Team zählen derzeit 19 gehörlose Beschäftigte. Er arbeitet seit 30 Jahren mit Gehörlosen zusammen und beherrscht die Gebärdensprache fließend.
„Die Gebärdensprache ist sehr ausdrucksstark“, sagt Irek. „Es ist eine sehr ausdrucksstarke Sprache, sodass man an den emotionalen Aspekten erkennen kann, dass jemand vielleicht unzufrieden ist oder Ähnliches.“ Es ist so, dass wahre Gefühle zum Ausdruck kommen.“
Michał ist Leiter der Produktionsabteilung für schalldämmende Kabinen. Zu seinem Team gehören etwa 10 gehörlose Beschäftigte, und er spricht die Gebärdensprache auf Mittelstufenniveau. Sowohl Irek und Michał leiten gemischte Teams, was bedeutet, dass die Gebärdensprache nicht die einzige Form der Kommunikation ist.
„In meinem Team gibt es eine Mischung von Teammitgliedern, d. h. wir haben sowohl Gehörlose als auch Hörende“, sagt Michał. „Das bedeutet natürlich, dass unsere Kommunikation völlig gemischt ist. In der Kommunikation untereinander gab es bisher keine größeren Schwierigkeiten und die Leute sind in der Lage, alle Schwierigkeiten, die sie haben, sehr schnell zu überwinden.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Gehörlose sehr gut Lippenlesen können“, sagt Michał. Er erklärt, dass Mimik und Gesichtsausdruck ebenfalls wichtige Aspekte sind. Nachdem sie so viel in Gebärdensprache mit ihren gehörlosen Teammitgliedern kommunizieren, stellten Irek und Michał fest, dass sie beide manchmal ausdrucksstärker sind, wenn sie Polnisch sprechen – auch außerhalb der Arbeit.
„Ich ertappe mich dabei, dass ich ein wenig ausdrucksstärker bin!“, lacht Michał. „Ich stimme voll und ganz zu“, sagt Irek.
Genau wie gesprochene Sprachen entwickelt sich auch die Gebärdensprache schnell weiter. Jede Generation erfindet einen neuen Slang, Ausdrücke werden im Laufe der Zeit angepasst, Abkürzungen gibt es viele.
„Man kann Unterschiede zwischen den Generationen sehen und … darin, wie die Leute die Zeichen verwenden“, sagt Irek. „Menschen, die schon etwas älter sind, haben andere Ausdrücke, andere Worte und sie verwenden Zeichen anders, während sie, wenn sie etwas jünger sind, Dinge abkürzen, Aussagen verkürzen.“
Wenn man gehörlose Teammitglieder hat, ist es hilfreich, die Gebärdensprache zu beherrschen. Gleichzeitig gibt es auch andere Kommunikationsmöglichkeiten – man muss nicht warten, bis man die Gebärdensprache perfekt beherrscht, bevor man gehörlose Mitglieder ins Team aufnimmt.
„Ich würde nicht sagen, dass ich die Gebärdensprache zu 100 % beherrsche“, sagt Irek, „aber ich kann sagen, dass ich ein kompetenter Nutzer bin … Ich glaube, anfangs könnten die Leute denken, dass ihre Fähigkeiten und Sprachkenntnisse nicht ausreichen, aber diese anfängliche Angst verschwindet sehr schnell.“ Und Übung macht den Meister. „Ich habe drei Jahre ausschließlich mit Gehörlosen zusammengearbeitet und das hat sich extrem positiv auf meine Sprachkenntnisse ausgewirkt.“
Michał betont, wie wichtig die visuelle Kommunikation ist, die für Gehörlose und Hörende gleichermaßen klar und hilfreich ist. „Insbesondere im Hinblick auf unsere Herstellungsprozesse setzen wir auf Visualisierungen“, sagt er. „Wir versuchen, all unsere Tätigkeiten zu visualisieren und damit haben alle die gleichen Chancen. Im Grunde genommen sind also alle Beteiligten, ob gehörlos oder nicht, in der Lage, Dinge schnell zu verstehen.“
Neue Technologien erleichtern auch den Kommunikationsprozess, insbesondere für Gehörlose, die verschiedene Gebärdensprachen sprechen. Aufgrund des Krieges in der Ukraine gibt es in den Teams von Mikomax nun auch ukrainische Beschäftigte. Technologien wie Übersetzungsgeräte haben dazu beigetragen, Sprachbarrieren zu überwinden.
„Wir haben auch verschiedene Nationalitäten in den Teams“, sagt Michał, „und da es beispielsweise zwischen der polnischen Gebärdensprache und der ukrainischen Gebärdensprache ein paar Unterschiede gibt, haben wir einige Übersetzungsgeräte gekauft, mit denen wir im Grunde automatisch vom Polnischen ins Ukrainische übersetzen können. So konnten wir diese Schwierigkeiten überwinden.“
Die Inklusion gehörloser Mitarbeitender war für Sławomir Szachmytowski eine angenehme Überraschung, als er vor fünf Jahren als Geschäftsführer bei Mikomax angefangen hat.
„Für mich ist die Kommunikation mit Gehörlosen kein Problem, da meine Eltern gehörlos waren“, sagt er. „Es war also wirklich schön, als ich zur Produktion kam, als ich mit der Arbeit begann und feststellte, dass bei Mikomax Gehörlose arbeiten … Als ich anfing, mit ihnen in Gebärdensprache zu sprechen, haben sie sich sehr gefreut. [Ich mich] auch!“
Unser Besuch ist eine beachtliche dreisprachige Aufgabe für Sławomir, die er jedoch mit Bravour meistert. Er beantwortet sowohl die Fragen, die wir ihm stellen, als auch unsere Fragen an die gehörlosen Teammitglieder und muss dabei schnell zwischen drei Sprachen wechseln, da er zwischen PJM, Englisch und Polnisch dolmetscht.
Der erste gehörlose Mitarbeiter, mit dem wir sprechen ist Zbigniew. Er arbeitet am Fließband und ist seit rund 30 Jahren bei Mikomax angestellt. (Sławomir hat beim Dolmetschen geholfen.)
„Es hat sich viel geändert“, sagt Zbigniew. „Wir produzieren neue Artikel und wir haben ständig neue Kunden.“ Zbigniew sagt uns, dass sein Chef „der Beste ist, weil er in Gebärdensprache kommunizieren kann.“ Während er das sagt, kommt ein Bekannter vorbei – Zbigniews Chef Irek, den wir am Morgen interviewt haben.
„Sobald du mit Gehörlosen sprichst, verwendest du automatisch Gebärdensprache“, sagt Irek und lacht. Sławomir erzählt uns, dass Zbigniew und Irek seit 30 Jahren zusammenarbeiten. Sie hatten gute und schlechte Zeiten.
„Aber im Moment befinden sie sich in einer guten Gemeinschaft“, sagt Sławomir.
Zbigniew erzählt uns, dass er in fünf Jahren in Rente gehen wird, aber er mag seinen Job, sodass er vielleicht zurückkehren wird!
Als Nächstes unterhalten wir uns mit Robert und Michał. Robert hatte bereits zwölf Jahre im Unternehmen gearbeitet. Nach einer kurzen Pause ist er jetzt seit vier Jahren wieder bei Mikomax. Michał arbeitet seit einem Jahr im Unternehmen.
Robert und Michał sind sich einig, dass die Kommunikation untereinander, innerhalb der Gehörlosengemeinschaft, einfach ist. Robert erwähnt, dass er, als er in einem anderen Unternehmen gearbeitet hat, nicht wie bei Mikomax die Möglichkeit hatte, mit Führungskräften und Managern in Gebärdensprache zu sprechen. Sławomir erklärt, dass es Managern nicht immer einfach fällt, Gebärdensprache zu sprechen, aber dass es Schulungen und Prüfungen gibt. (In Teil II werden wir mehr über diese Schulungen erfahren.)
Wir fragen, wie Kommunikationsbarrieren zwischen Gehörlosen und Hörenden überwunden werden können.
„Für Gehörlose muss man langsam sprechen“, sagt Robert, während Sławomir dolmetscht. Robert empfiehlt, die Worte mit dem Mund zu betonen.
„Wir können kleine Zeichen verwenden, die z. B. an das Werkzeug oder an die zu erledigenden Arbeiten angepasst sind“, sagt Michał. Online-Kommunikation ist einfach und Facebook Messenger ist das beliebteste Tool. (Messenger schien auch die bevorzugte App für Online-Dating zu sein!)
Bei der Frage nach Fußball kommen die von Irek erwähnten Generationsunterschiede zum Vorschein. Beide sind Fans von lokalen Vereinen aus Łódź, aber dann fragen wir sie nach ihren Lieblingsspielern. Roberts Wahl fällt erst auf Lewandowski, dann entscheidet er sich aber doch schnell für Spieler früherer Generationen: Bonek, Tomaszewski usw. Michal nennt, ohne nachzudenken, Messi und Mbappe. Als er sich für einen der beiden entscheiden soll, nimmt er Mbappe.
„Er ist jünger!“, sagt Michał.
Während dieses ersten Teils unseres Besuchs erlebten wir die gutmütige, professionelle Leichtigkeit eines Teams, in dem sich alle gut kennen und das Gefühl haben, dazuzugehören. Um es kurz zu sagen: Es war einfach ein Ort, an dem man sich wirklich wohlfühlt.
Dank der beeindruckenden Übersetzungsfähigkeiten des Mikomax-Teams, das regelmäßig von der polnischen Gebärdensprache ins Polnische und ins Englische dolmetschte, konnten wir mit den gehörlosen Beschäftigten sprechen und uns anhören, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Wir haben einige erste Wörter in polnischer Gebärdensprache (und auf unseren Wunsch hin auch einige andere Wörter, die ein bisschen mehr „Spaß“ machen) gelernt.
Kurz gesagt, wir haben erfahren, wie ein Tag im Leben einer inklusiven Gemeinschaft aussieht.
In Teil II setzen wir uns mit Maciej Mikołajczyk, einem Mitglied der Geschäftsführung von Mikomax und Sohn der Unternehmensgründer, zusammen. Inklusion ist tief in der Unternehmensgeschichte verankert, und niemand weiß das besser als Maciej. Wir sprechen außerdem mit Paulina Wieczorkiewicz, der Leiterin der Personalabteilung, über die konkreten Initiativen, die Mikomax ergreift, um die Inklusionskultur aufrechtzuerhalten.
Hier in Teil II sprechen wir mit der Leiterin der Personalabteilung und einem Mitglied der Geschäftsführung von Mikomax.
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